Kürzlich gab der Weltkonzern Bosch bekannt, dass er die kleine Berliner Internetfirma Inubit übernehmen will, die sich unter anderem mit der Kommunikation von Haushaltsgeräten befasst. Der Bosch-Chef sagte, er erwarte die nächste Stufe der digitalen Revolution, „das Internet der Dinge und Dienste“. Darunter versteht die Branche die Idee, dass das Netz nicht nur Menschen, sondern auch Geräte und Dinge miteinander verknüpfen soll. Hoffnungen setzt man unter anderem auf die Heimtechnik. Backöfen, die man auf dem Heimweg per Handy vorwärmen kann; Waschmaschinen und Trockner, die just in der Minute automatisch anspringen, in der besonders viel Windstrom verfügbar ist.
Die totale Vernetzung hat auf den ersten Blick einen gewissen Charme, könnte das Leben mit einem intelligenten Stromnetz, einem Smart Grid, doch noch bequemer werden. Allerdings entdecken Forscher nun auch, was es bedeuten könnte, wenn alle möglichen Geräte miteinander „sprechen“: Sie verraten Dinge über ihren Besitzer, die dieser vielleicht lieber für sich behalten hätte.
Die IT-Spezialisten von der FH Münster waren erschrocken und fasziniert zugleich
Professor Ulrich Greveler und sein Team vom Labor für IT-Sicherheit der FH Münster waren zunächst erstaunt, dann erschrocken und fasziniert zugleich: Sie hatten vom Bundesforschungsministerium den Auftrag erhalten, herausfinden, was intelligente Stromzähler über Hausbewohner verraten. So ein Smart Meter muss laut Gesetz mittlerweile in jedem Neubau und nach der Grundsanierung von Altbauten installiert werden. Die Forscher bestellten einen intelligenten Zähler beim Aachener Energieberatungsunternehmen Discovergy für einen durchschnittlichen Privathaushalt in NRW.
Discovergy beauftragte einen Handwerker, der den klassischen Ferraris-Zähler gegen einen digitalen Zähler der Bielefelder Firma Easymeter austauschte. Während beim alten Zähler der Stand nur ein Mal im Jahr vom Menschen abgelesen wird, misst der neue den Verbrauch alle zwei Sekunden und schickt die Daten über das Internet an die Rechenzentrum von Discovergy. Der Kunde kann sich auf einer Internetseite über seinen Verbrauch informieren und Stromfresser im Haushalt identifizieren. Mit diesem Service werben Anbieter der neuen Zähler.
Jedes Haushaltsgerät hat eine individuelle Verbrauchskurve, daran kann man sie erkennen
Die Forscher griffen die Daten auf dem Weg dorthin ab, was nicht schwer war, da sie unverschlüsselt übertragen wurden – ein Fehler, den die Firma mittlerweile durch ein Softwareupdate behoben hat. Frühere Tests hatten bereits gezeigt, dass man anhand dieser Daten einzelne Haushaltsgeräte eindeutig identifizieren kann, anhand ihrer Stromverbrauchskurven. Ein Kühlschrank etwa springt in der Regel für eine Viertelstunde an, um dann eine halbe Stunde fast ruhig zu sein. Eine Mikrowelle verbraucht innerhalb weniger Betriebsminuten mehrfach nur für wenige Sekunden sehr viel Energie.
So konnte das Team der FH Münster exakt nachvollziehen, wann die Bewohner Kühlschrank, Herd, Wasserkocher, Durchlauferhitzer, Toaster, Lampen, Waschmaschine und Fernseher benutzt haben. Die Forscher stellten sogar fest, was für einen Film sie schauten. Das funktionierte so:
Die Privatleute hatten einen handelsüblichen Flachbildschirmfernseher, der helle Szenen mit einer Hintergrundbeleuchtung verstärkt. Der Stromzähler registrierte im Test bei diesen Szenen einen Mehrverbrauch von 75 Watt gegenüber den dunklen Szenen. Da die Forscher das Hell-Dunkel-Profil des Testfilms kannten, konnten sie exakt nachweisen, wann er angeschaut wurde.
Wer braucht die Daten? Und wofür?
Im Experiment war es noch nötig, dass die Bewohner den simplen Testfilm mindestens eine halbe Stunde laufen ließen. Derzeit arbeiten die Forscher daran, den Nachweis nach fünf Minuten Filmlaufzeit zu erbringen. Theoretisch, da ist sich Greveler sicher, könnte man fast jede Sendung im Stromlastprofil nachweisen.
Aber wofür? Wer braucht das? Die FH Münster schreibt in ihrem vorläufigen Bericht, dass Ermittler oder Filmfirmen sich für die Technik interessieren könnten, um Raubkopien zu identifizieren, etwa von Filmen, die noch gar nicht auf DVD erschienen und somit womöglich illegal heruntergeladen worden sind.
Greveler spinnt die Idee weiter, das ist sein Job: Aus zentral gespeicherten Daten mancher Smart Meter ließe sich lesen, wann es an der Haustür geklingelt hat oder wann Dusche und Fön gleichzeitig benutzt worden sind– Indizien dafür, dass sich mindestens zwei Personen im Haushalt aufgehalten haben. Das könnte Privatdetektive im Auftrag eines misstrauischen Ehepartners interessieren.
So weit ist es allerdings noch lange nicht, noch muss niemand Filmkonzerne, Detekteien oder gar Geheimdienste fürchten, die mittels Stromzähler schnüffeln. Zu wenige Zähler gibt es, und nicht alle senden Daten so häufig – alle zwei Sekunden – aus dem Haus. Auch gibt es recht wirksame Verschlüsselungstechniken. Datenschützer sind dennoch besorgt und befassen sich seit gut einem Jahr intensiv mit den intelligenten Zählern.
Datenschützer fordern, dass die Daten im Haus bleiben, statt auf den Servern der Konzerne ausgewertet zu werden
Auf Anregung des Bundesdatenschutzbeauftragten und im Auftrag des Forschungsministeriums hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik in diesem Jahr ein Schutzprofil für Smart Meter entworfen. Das sieht vor, dass die Zähler über eine lokale Schnittstelle verfügen, mit der Verbraucher die Daten direkt aus dem Gerät ziehen und auf dem Heimcomputer betrachten können. Der Datenschutzbeauftragte fordert zudem, dass Konzerne die Abrechnungssoftware – etwa für Tag- und Nachtstromtarife – direkt auf dem Gerät aufspielen. Dann gäbe es keinen Grund dafür, dass überhaupt Daten das Haus verlassen. „Es ist zwingend notwendig, verbindliche Standards für technischen Datenschutz sowie die IT-Sicherheit der Smart Meters zu schaffen“, heißt es in einem Papier des Bundesdatenschutzbeauftragten. Selbstverpflichtungen der betroffenen Unternehmen würden nicht genügen.
Das sieht man in der Industrie ganz anders. Dem IT-Verband Bitkom zufolge werden im laufenden Jahr allein in Deutschland Produkte mit eingebauter IT-Intelligenz im Wert von rund 19 Milliarden Euro verkauft. Zu viele Regeln wären nur hinderlich für den Wettbewerb, der freie Markt möge es richten, so die Auffassung. Auch die massenhafte Verbreitung eines Standardzählers wie in Italien oder England lehnt die deutsche Industrie ab.Würden die Daten die Haushalte gar nicht verlassen, entfiele überhaupt der zentrale Anreiz für Unternehmen, eine Infrastruktur aufzubauen. In einem Positionspapier des Bundesverbandes der Deutschen Industrie heißt es: „Einschränkungen in den Systemarchitekturen sowie Geschäftsmodellen können die Entwicklung hin zu einem beschleunigten Ausbau des Internets der Energien behindern, wenn nicht sogar verhindern“. Von Datenschutz ist darin nicht die Rede.
Quelle: rueckschlagklappe.wordpress.com und terraherz.blogspot.com